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USA. Wie bei vielen anderen
Erkrankungen scheint es auch für Depressionen eine erbliche Veranlagung
zu geben. Am gängigsten ist die Vorstellung, daß die betroffenen
Personen besonders sensibel auf bestimmte Umweltreize reagieren und so
depressiv erkranken. K. S. Kendler ergänzt diese Sichtweise um eine
interessante Variante.
Nach seiner Ansicht beschreibt die genetische Forschung den
Zusammenhang zwischen Umwelt und Veranlagung bislang sehr einseitig. Sie
vermittelt den Eindruck, als sei das Individuum den Einflüssen seiner
Umwelt hilflos ausgeliefert. Einiges spricht aber dafür, daß manche
Menschen - vermutlich „veranlagungsbedingt“ - aktiv riskante
Situationen aufsuchen oder herbeiführen. So hängt das Risiko von
Rauchern, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, nicht nur von
organischen Faktoren oder der Giftigkeit der Rauchwaren ab.
Möglicherweise weitaus wichtiger ist ihr vorheriges Verhalten, das
darin besteht, sich Zigaretten zu beschaffen und deren Rauch zu
inhalieren.
Wie Kendler aus Ergebnissen der Zwillingsforschung ableitet,
könnte es ähnliche Zusammenhänge auch bei der Entstehung von
Depressionen geben. So weisen Befunde bei Zwillingen darauf hin, daß
folgende belastende Lebensereignisse signifikant häufiger einer Major
Depression vorausgehen: Überfall, gravierende Ehesorgen, Scheidung,
Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit und erhebliche finanzielle Probleme
sowie Schwierigkeiten im Freundes- und Bekanntenkreis. Deshalb spricht
einiges dafür, daß es eine erbliche Veranlagung gibt, sich vermehrt
Stressoren auszusetzen, die dann letztlich eine Depression auslösen.
K.
S. Kendler: Major depression and the environment: a psychiatric genetic
perspective. Pharmacopsychiat. 1998 (31) 5-9