äStimmungskalender führen
Depressive Menschen neigen dazu
alles schwarz zu sehen (sie verallgemeinern zu ihrem eigenen Nachteil).
Selbst wenn einige Dinge im Tagesablauf klappen und für andere Personen
eine Tendenz zur Besserung sichtbar wird, erlebt der Depressive
weiterhin „alles als schrecklich und hoffnungslos“. In dieser
Situation helfen Sie sich, wenn Sie Ihr Befinden täglich mehrfach
bewerten und das Ergebnis notieren. Mit Hilfe eines solchen
Stimmungskalenders halten Sie sich einen Spiegel vor Augen. Er wirkt der
Gefahr entgegen, daß Sie im Rückblick alles verzerrt wahrnehmen.
Gleichzeitig erleichtern Sie es Ihrem Arzt, den Behandlungseffekt zu
überprüfen.
Depressive
Veranlagung akzeptieren
„Bekämpfen“ Sie Ihre
Depressivität (und damit einen Teil Ihrer Person) nicht. Depressive
Menschen richten meist schon viel zu viel Aggression gegen sich selbst.
Aus solchen Schlachten geht das „Bekämpfte“ zudem oft auch noch
gekräftigt hervor. Immerhin erkranken 10 bis 15 Prozent aller Menschen
mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression. Offensichtlich
gehört die entsprechende Veranlagung also zum Menschsein. Manchmal ist
die Umwelt völlig überrascht, wenn jemand an einer Depression
erkrankt, weil man den Betreffenden so noch nie erlebt hat. In anderen
Fällen verstärkt die Depression dagegen bereits vorhandene
Persönlichkeitszüge und bestätigt so der Umwelt, was diese schon
immer über die Betreffenden dachte. Vor allem für die zuletzt
genannten Personen ist es hilfreich, ihre depressiven Charakterzüge
wahrzunehmen und zu akzeptieren, zumal „Depressivität“ durchaus mit
vorteilhaften Eigenschaften gekoppelt sein kann. Wenn solche Menschen
„ganz gesunden“ wollen, verfolgen sie vermutlich ein unrealistisches
Ziel.
Eigene
Fähigkeiten wertschätzen und zeigen
Stehen Sie zu Ihrer
„Depressivität“ und verdeutlichen Sie anderen den sozialen Nutzen
Ihres Verhaltens. Denn depressiv veranlagte Menschen sind oft sehr
beharrlich und zuverlässig. Sie sind sehr leistungsbezogen, orientieren
sich an sozialen Idealen und wirken sehr bescheiden, da sie selten offen
aggressiv fordern. Sie sind sehr sensibel, warmherzig und zu tiefem
Erleben fähig. Als Partner sind sie anhänglich und an Nähe
interessiert. Sie überstürzen nichts, sondern überlegen vieles aus
Vorsicht lieber mehrfach und detailliert. Sie sind sehr selbstkritisch
und stehen zu eigener „Schuld“. Sie sind die klassischen Helfer, die
nicht zögern, für andere Verantwortung zu übernehmen und sich dafür
notfalls aufzuopfern. In ihren Familien und auf ihren Arbeitsstellen
werden sie deshalb oft sehr geschätzt. Soweit Sie sich in dieser
Beschreibung wiedererkennen, entsprechen Sie wichtigen Idealen unserer
heutigen Kultur und Gesellschaft.
Die
Wirkung auf andere erkennen
Durch anhaltendes Klagen (aus der
Sicht der anderen: „ewiges Jammern“ oder „An-Klagen“) drücken
depressive Menschen ihre Aggressivität aus. Diese ist zwar gegen die
Kranken selbst gerichtet, kann aber bei anderen Ungeduld und Ablehnung
(Gegenaggression) hervorrufen. Die dauernden Selbstanklagen, ein
gekränkt-trotziges Verhalten, der Appell zu helfen und die
gleichzeitigen Mißerfolge des Helfers machen den Helfer irgend wann
wütend und enttäuscht (Dieser spürt durchaus die Heftigkeit seiner
Gefühle, während der Depressive oft gar nichts mehr spürt). Die oft
wiederholte Feststellung „Mir hilft nichts“ versteht der Helfer dann
als „Auch Du kannst mir nicht helfen“. Damit stellen Depressionen
die Frustrationstoleranz
von Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Ärzten und anderen
Helfern oft erheblich auf die Probe. Vielfach müssen sie den Ärger
aushalten, den der Depressive eigentlich gegenüber anderen wichtigen
Bezugspersonen hegt. Nicht selten werden auch Personen der Umwelt
regelrecht „angesteckt“, so daß sich diese ebenfalls vorübergehend
gefühlsleer, wert-, interesse- und willenslos fühlen. Wenn depressive
Menschen sich anklammern, nehmen sie anderen oft die „Luft“
(Zwangsjackeneffekt). Um nicht zu ersticken, gehen diese dann auf
Abstand und verstärken damit die Angst des Depressiven vor Ablehnung
und Alleinsein. Versetzen Sie sich also im eigenen Interesse immer
wieder einmal in die Person Ihrer Helfer, auch wenn Ihnen dies sehr
schwer fällt.
Aktiv
werden statt abwarten
Wissenschaftlich steht außer
Zweifel, daß Stimmung und Verhalten sich gegenseitig beeinflussen. Sie
merken es ja selbst: Aufgrund Ihrer Depression haben Sie zu nichts Lust
und würden sich am liebsten irgendwo verkriechen und dort verharren.
Vielleicht hoffen Sie, daß Sie wieder zupacken werden, sobald Sie sich
besser fühlen. Empfehlenswerter ist das umgekehrte Vorgehen:
Unternehmen Sie überhaupt etwas und lassen Sie sich davon überraschen,
daß es dadurch wieder bergauf geht. Verlassen Sie also Ihr Bett und
erheben Sie sich aus dem Sessel. Denn ähnlich wie Feuer und Wasser sind
gesunde Aktivität und Depression kaum miteinander vereinbar. Wer sich
ausreichend lange und intensiv aktiviert, schwächt damit die
Depression. Führen Sie daher in Ergänzung zu Ihrem Stimmungs- auch
einen Aktivitätenkalender. Wenn alles klappt, wird mit wachsender
Aktivität auch Ihre Stimmung steigen. Beispiele für Aktivitäten sind:
Spazierengehen, Fahrradfahren, Wohnung aufräumen, im Garten arbeiten,
Lesen, Freunde anrufen, sich schön anziehen und schminken usw. Stellen
Sie sich eine möglichst umfangreiche Liste von gut zu bewältigenden
Aktivitäten zusammen, die für Sie persönlich angenehm sind und von
der Sie sich täglich anregen lassen.
Sich
bewegen statt erstarren
Nutzen Sie die antidepressive
Wirkung von sportlicher Bewegung. Offensichtlich setzt Sport im Körper
Botenstoffe frei, die entspannen und die Stimmung verbessern. Besonders
bewährt haben sich Ausdauersportarten wie Walking (schnelles Gehen),
Jogging, Radfahren, Schwimmen usw. Radfahren hat den Vorteil, daß Sie
sich durch Ausflüge neue Räume erschließen und so möglicherweise ein
Gefühl von Freiheit erschließen. Ihr Hausarzt wird Sie gerne beraten.
Sport eignet sich auch dazu, Ärger und Wut auf gesunde Art und Weise
abzubauen.
Verantwortung
für sich selbst übernehmen
Depressive Menschen sind oft Meister
darin, anderen zu helfen und sich selbst zurückzustellen. Dabei
haben sie den Anspruch, „es allen recht machen zu müssen“.
Umgekehrt bzw. unbewußt erwarten sie oft das Gleiche, nämlich daß
andere sich voll für sie einsetzen. Zum Leidwesen vieler Depressiver
geht diese Rechnung nicht immer auf. Auch auf ihren Arzt übertragen
depressive Menschen gerne die gesamte Verantwortung für ihre Heilung
(„Sie sind doch der Arzt“). Als autoritätsgläubige Menschen
verführen sie den Arzt zu der Annahme, diesen Patienten auf jeden Fall
„retten“ zu können. Dementsprechend sind um so enttäuschter, wenn
auch der Arzt „versagt“. Vermeiden Sie die drohende
Enttäuschungs-Falle. Bauen Sie nicht ausschließlich auf fremde Hilfe,
sondern tragen Sie zu Ihrer Genesung aktiv bei. Übernehmen Sie
Mitverantwortung für den Heilungsprozeß. Sie hören dann auf
abzuwarten und werden sich weniger „ausgeliefert“ fühlen.
Vernünftig
und präzise denken
Manche Therapeuten gehen davon aus,
daß Depressionen in besonderem Maß eine Erkrankung des „Denkens“
sind. Denn depressive Menschen neigen dazu, alles schwarz zu
sehen (besonders sich selbst, die Zukunft und die eigenen Erfahrungen).
Sie verallgemeinern im Übermaß („Keiner liebt mich“, „Nichts
kann ich mehr“ „Alles war umsonst“). Nach dem
„Alles-oder-nichts-Prinzip“ erwarten sie oft, wieder „ganz zu
gesunden“. Zugleich übersehen die Betroffenen, daß sie durchaus
einiges schaffen, etwa sich anzuziehen, ein Frühstück zuzubereiten und
die Wohnung abzuschließen. Aber all dies gilt nichts oder wird
ausgeblendet. Depressive Menschen denken sehr schematisch, haben
aufdringliche „automatische Gedanken“, an denen sie grüblerisch
haften, und leiden unter der Vorstellung, Ereignisse und Situationen
durch eigenes Verhalten nicht beeinflussen zu können. Mißfolge werden
der eigenen Person, Erfolge dem Zufall („Alles nur Glück“) oder
anderen äußerlichen Faktoren zugeordnet. Vor allem für depressive
Menschen hat es sich deshalb bewährt, konsequent zu üben, wie man
Sachverhalte präzise beschreibt, sinnvoll nach Ursachen forscht,
Zusammenhänge herstellt und damit wirklichkeitsnah denkt. Ein
entsprechendes Training bietet die kognitive Verhaltenstherapie an.