Großbritannien.
Je nach Studie schwanken die Angaben zur Prävalenz phobischer
Störungen bei Senioren (65 Jahre und älter) zwischen 0,7 bis 12
Prozent bezogen auf einen Zeitraum zwischen ein und sechs Monaten.
Während zu einzelnen Phobien relativ konstante Häufigkeiten ermittelt
werden (einfache Phobie: 4 Prozent, soziale Phobie: 1 Prozent) variieren
die Angaben zur Agoraphobie erheblich (1,4 bis 7,9 Prozent). Die
Prävalenz von Zwangsstörungen scheint 0,1 bis 0,8 Prozent, von
Panikstörungen 0,1 Prozent und von generalisierter Angst 4 Prozent zu
betragen. Die Beobachtung, daß Frauen häufiger unter Angst leiden als
Männer, gilt in der älteren Bevölkerung immer weniger. Überhaupt
scheinen Angststörungen abzunehmen mit Ausnahme der generalisierten
Angst.
Diese Zahlen ermittelten C. Krasucki und Kollegen mit Hilfe einer
umfassenden Literaturrecherche. Die britischen Psychiater bieten vor
allem drei Hypothesen an, die erklären können, warum man
Angststörungen in der älteren Bevölkerung seltener begegnet. Danach
könnte es sein, daß Angst ein „Kohorteneffekt“ ist, der jüngere
Menschen mehr betrifft als ältere. Denkbar ist auch, daß die mit
Angststörungen verbundene erhöhte Mortalität dazu führt, daß
Angstkranke seltener ein höheres Alter erreichen. Dafür sprechen
beispielsweise die bei Phobikern gesteigerte Sterblichkeit an
Herz-Kreislauf-Krankheiten oder die bei Panikkranken erhöhte
Suizidalität. Schließlich ist auch in Betracht zu ziehen, daß sich
möglicherweise weniger die Phänomene als vielmehr deren Diagnostik
verändern. So gibt es durchaus Argumente dafür, daß viele Angstleiden
in einer sich zusätzlich einstellenden Demenz „aufgehen“ und nicht
mehr separat diagnostiziert werden.
Eine genauere Untersuchung der möglichen Zusammenhänge zwischen
Angst und Demenz erscheint in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. So ist es
einerseits wichtig zu wissen, ob Angstkrankheiten potentielle
Risikofaktoren für kognitive Störungen im Alter sind; andererseits
wäre es sinnvoll, Demenz-Kranke auch anxiolytisch zu behandeln, wenn
Angst an ihrem Zustand beteiligt ist, also neben der Demenz fortbesteht.
Für ein besonderes Zusammenwirken von Angst und Demenz spricht, daß
viele Verhaltensstörungen (Unruhe, Erregung) bei Demenz-Kranken
typischen Angstsymptomen ähneln. Da einige Angstkrankheiten gehäuft
mit Gefäßerkrankungen einhergehen, läßt sich auch über
Zusammenhänge zwischen Angst und vaskulärer Demenz spekulieren.
Nicht zuletzt fragen sich die britischen Wissenschaftler vor dem
Hintergrund der eingangs genannten Zahlen, ob generalisierte Angst nicht
ein „Kernsyndrom“ aller Angststörungen ist. Dieses würde im Alter
deshalb häufiger zutage treten, weil sich die spezifischeren
Angststörungen zunehmend „entdifferenzieren“.
C.
Krasucki u.a.: The relationship between anxiety disorders and age. Int.
J. Geriat. Psychiatry 1998 (13) 79-99