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Wenn „Nebenwirkungen“ Angst ausdrücken

USA. Wer bei Angstkranken die Medikation verändert, sollte anschließende Rückmeldungen der Patienten mit Vorsicht interpretieren. Wie eine Studie von E. H. Uhlenhut und Kollegen veranschaulicht, kann sich hinter dem sprunghaften Anstieg neu registrierter „Nebenwirkungen“ nichts anderes verbergen als die Angst der Kranken vor dem neuen Behandlungsprinzip.

    Die amerikanischen Wissenschaftler kamen diesem potentiellen Fallstrick pharmokologischer Forschung auf die Spur, indem sie 54 Angstkranke dazu einluden, das gleiche und bewährte Anxiolytikum nicht mehr in klassischer Tablettenform, sondern als Retardzubereitung einzunehmen. Bei dem Medikament handelte es sich um Alprazolam (in Deutschland: Xanax® und Tafil®), das in den USA als erstes Arzneimittel speziell für die Indikation Panikstörung zugelassen wurde (ähnlich in Deutschland) und sich seitdem zum Standard entwickelt hat.

    Obwohl die Patienten die gleiche Dosis des Wirkstoffes weiterhin erhielten und die Retardform einen relativ gleichmäßigen Wirkspiegel garantierte, schnellte die Zahl der registrierten Nebenwirkungen nach dem Wechsel der Darreichungsform sprunghaft um mehr als das Doppelte in die Höhe (von 26 auf 60 Prozent der Patienten). Bei den unerwünschten Wirkungen handelte es sich überwiegend um Sedierung (37 Prozent) oder um Angstäquivalente (48 Prozent). Kranke mit angstähnlichen „Nebenwirkungen“ zeichneten sich von Anfang an durch erhöhte Testwerte unter den Gesichtspunkten Somatisierung, Angst und Phobie aus.

    Uhlenhut und Kollegen weisen darauf hin, daß sich das Befinden der Kranken trotz der registrierten „Nebenwirkungen“ während des vierwöchigen Untersuchungszeitraums tendenziell besserte. Durch ihre Untersuchung sehen sie die Vermutung bekräftigt, daß ängstliche Patienten - besonders wenn sie somatisieren - auf Veränderungen ihrer Behandlung in überraschend hohem Maß mit Angst reagieren und diese als „Arzneimittel-Nebenwirkungen“ beschreiben. Es erscheint deshalb ratsam, Angstkranke besonders sorgfältig vor Veränderungen ihrer Medikation aufzuklären und sie während der Übergangszeit intensiv psychologisch zu betreuen.

E. H. Uhlenhuth u.a.: Medication side effects in anxious patients; negative placebo responses? Journal of Affective Disorders 1998 (47) 183-190