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Wege aus der Depression (Teil 4)

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Eigener Heilungstheorie eine Chance geben

Mindestens genau so wichtig wie die Erläuterungen Ihres Arztes und die Hinweise dieses Textes sind Ihre eigenen Ideen davon, wie sich Ihre Depression entwickelt hat und vor allem wie Sie diese günstig beeinflussen können. Denn niemand kennt Sie besser als Sie selbst. Geben Sie also Ihrer eigenen Heilungstheorie eine Chance. Sie wird um so erfolgreicher sein, je weniger sie von der Mitwirkung anderer abhängt. Ihren Arzt sollten Sie allerdings über Ihre Vorstellungen eingehend informieren und Ihr Vorgehen mit ihm abstimmen.

 

Depressionsentstehung (re-)konstruieren

Offene Fragen beschäftigen uns so lange, bis wir eine befriedigende Antwort gefunden haben. Deshalb wollen auch Depressive wissen, „warum“ ausgerechnet sie unter einer Depression leiden. Nehmen Sie sich also Zeit und Raum, um für sich eine persönliche Erklärung zu finden. Um ihrer Seele Ruhe zu verschaffen, können Sie notfalls eine befriedigende Antwort (er)finden. Erwarten Sie aber nicht, daß allein eine zufriedenstellende Begründung Ihre Depression bereits heilt. Auch ein verstopftes Rohr wird ja nicht schon dadurch frei, daß man die Ursache der Verstopfung entdeckt. Ein Verständnis der Zusammenhänge erleichtert es Ihnen allerdings, andauerndes und Energie verzehrendes Grübeln über das „warum“ Ihres Leidens zu beenden und sich den Lösungen zuzuwenden.

 

Rasch (be)handeln

Depressionen sprechen um so besser auf eine Therapie an, je früher die Behandlung beginnt. Lange Vorlaufzeiten scheinen eine Gewöhnung (Einschleifen von Gewohnheiten) und damit die Festschreibung des Krankheitszustandes zu begünstigen. Zögern Sie also nicht, umgehend ärztliche Hilfe aufzusuchen und mit der empfohlenen Behandlung sofort zu beginnen.

 

Rückfällen gelassen entgegensehen

Halten Sie sich von Anfang an vor Augen, daß wir Menschen einmal Erlerntes nur sehr schwer (wenn überhaupt) wieder verlernen. Die (tiefen) Spuren im Gehirn verwischen nicht so rasch. Oder schaffen Sie es, Reden, Schreiben, Fahrrad fahren oder Schwimmen wieder zu verlernen? Selbst wenn Sie diese Fähigkeiten jahrelang nicht ausüben, gehen sie meist nicht (völlig) verloren. Warum soll es mit depressivem Verhalten und Erleben anders sein? Verzweifeln Sie nicht. Denn genau so wenig, wie man verpflichtet ist, zu schwimmen oder Fahrrad zu fahren, genau so wenig ist man gezwungen, depressiv zu sein. Der Verzicht auf ein Verhalten fällt uns um so leichter, je bessere Alternativen uns offenstehen. So brauchen wir beispielsweise nicht mehr zu schreiben, wenn wir telefonieren können. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, auch zur Depression bessere Alternativen zu entwickeln, die es den Betroffenen erleichtern, sich von der Depression zu lösen (wobei sie dadurch allerdings die Befähigung zu depressivem Verhalten und Erleben nicht verlieren). So würde sich auch erklären, warum es manchmal sinnvoll ist, dauerhaft Medikamente einzunehmen, um einer Depression vorzubeugen. „Rückfälle“ sind schon deshalb kein Grund zur Verzweiflung, weil man bereits erfahren hat, daß und wie man sich von einer Depression (wieder) lösen kann.

 

Ziele formulieren und dem Leben Sinn geben

Depressive Menschen blicken vor allem auf „Vergangenes“ (Verluste) und suchen nach Schuld. Falls sie überhaupt an Zukunft denken können, sehen sie diese schwarz. Auch wenn es Ihnen anfangs extrem schwer fallen wird, helfen Sie sich, wenn Sie sich (kleine) Ziele setzen und damit auch Ihrem Leben „Sinn“ geben. Hierbei ist es äußerst wichtig, daß es sich um ganz konkrete, ausschließlich positiv formulierte und damit gut vorstellbare, also erreichbare Ziele handelt. Begriffe wie „glücklicher“ und „zufriedener“ sind zu allgemein. Positive Ziele sind so wichtig, weil sie motivieren. Auch kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie etwas aussieht, das es nicht mehr gibt (keine Traurigkeit, keine Angst, keine Hoffnungslosigkeit). Wer nur beschreibt, was er loswerden will, wird genau so unzufrieden bleiben wie der Käufer, der lediglich „etwas Nicht-Blaues“ bestellt. Wenn man sich nur vornimmt, „weniger zu grübeln“, drohen eher Enttäuschungen als mit der Zielsetzung „anstelle von Grübeln werde ich Sport treiben“.

 

Antidepressiva vertrauen

Antidepressiv wirkende Medikamente normalisieren einen gestörten Stoffwechsel im Gehirn, indem sie sogenannte Botenstoffe beeinflussen (insbesondere Noradrenalin und Serotonin). Sie machen nicht abhängig und sind bei gesunden Menschen wirkungslos. Ihr Effekt tritt üblicherweise verzögert ein (spätestens nach zwei bis drei Wochen). Deswegen darf man ihre Einnahme nicht zu früh beenden.

 

„Schlafentzug“ probieren

Ein nach bewährten Regeln durchgeführter Schlafentzug kann die medikamentöse Behandlung depressiver Menschen sinnvoll ergänzen. Bei rund 60 Prozent der Patienten bessert eine durchwachte Nacht die depressive Stimmung eindrucksvoll. Leider hält der Effekt aber selten länger als einen oder einige Tage an. Einen Schlafentzug führt man üblicherweise nicht alleine durch, sondern in einer Gruppe. Wer noch nicht die nötige Erfahrung hat, sollte einen Angehörigen bitten, während des Schlafentzugs anwesend zu sein. Wiederholungen sind sinnvoll (ein- bis zweimal pro Woche). Schlafentzug kann die Wirkungen einer medikamentösen Depressionsprophylaxe oder einer laufenden Psychotherapie verstärken und so Rückfällen vorbeugen.

 

Ängste „normalisieren“

Depressionen gehen in einem hohen Prozentsatz mit starken Ängsten einher. Nicht selten beginnt der Leidensvorgang mit Angst, welche die Betroffenen nicht bewältigen. Als Folge dieses Versagens bzw. der damit einhergehenden Erschöpfung und Verzweiflung stellt sich auch noch eine Depression ein. Mindestens ebenso häufig kommt es vor, daß sich zuerst eine Depression einstellt, die ihrerseits dann Ängste erzeugt. Ängste lassen sich mit Hilfe von Psychotherapie und Medikamenten außergewöhnlich gut behandeln. Dabei kann es immer nur darum gehen, die Ängste auf ein normales Maß zu verringern. Denn Angst ist ein wichtiges Signal, das uns auf Gefahren aufmerksam macht und Energien mobilisiert. Der enge Zusammenhang zwischen Depression und Angst spiegelt sich nicht zuletzt in dem Erfolg von Medikamenten wider, bei denen oft ein und dieselbe Substanz beide Leidensformen bessert.

 

Sich konstruktiv auseinandersetzen lernen

Da depressive Menschen sich nur mit Mühe trennen können, fällt es ihnen oft schwer, sich „auseinander zu setzen“. Denn bei Konflikten und Streitgesprächen droht immer die Gefahr, daß man sich „entzweit“. Aus der Sorge, die Zuwendung der anderen zu verlieren, schlucken deshalb viele Depressive lieber ihren Ärger (mit der Folge von Magenschmerzen) oder sie versuchen, diesen allenfalls indirekt auszudrücken. „Heilsamer“ ist es, Konflikte in konstruktiver Weise auszutragen. Dabei werden selten die Konflikte selbst zum Problem, viel eher ist es die Art ihrer Austragung (etwa wenn es darum geht, „den Schuldigen zu entlarven“ oder „Sünden gegeneinander aufzurechnen“). Gespräche verlaufen um so günstiger, je mehr man den Partner achtet und ihn nicht abwertet. Kritik kommt am besten an, wenn man sie in einen persönlichen „Wunsch“ kleidet. Meist fördert es den Gesprächsverlauf, wenn man die eigenen Interessen offenlegt, beschreibt, was das Verhalten des anderen bei einem selbst auslöst, auf das Lesen fremder Gedanken verzichtet, ein „nein“ auf die Sache und nicht auf die Person bezieht und keine Killerphrasen benutzt („Du hast doch keine Ahnung davon“).