Großbritannien. Wer an
„Platzangst“ (Agoraphobie) leidet, erinnert sich sehr präzise an die
körperlichen Symptome, die er oder sie in der angsterzeugenden Situation
erlebt hat. Die damit verbundenen Gedanken werden offenbar weitaus weniger
zuverlässig ins Gedächtnis gerufen. Möglicherweise werden sie großenteils
erst im Nachhinein erzeugt. Diese überraschenden Beobachtungen machten M.
Marks und D. Hemsley in einer Studie an 20 Personen, die unter Agoraphobie
litten. Sollten sich die Befunde in weiteren Untersuchungen bestätigen, würde
ein wichtiges Dogma ins Wanken geraten: Gedanken („Jetzt sterbe ich
gleich“) wären dann möglicherweise weniger stark an der Entstehung des
Angstanfalls beteiligt, als man bisher dachte.
|
|
In ihrer Studie hatten die
britischen Forscher 20 Agoraphobie-Patienten in eine angstauslösende
Situation begleitet, wo die Patienten dann unmittelbar in verschiedenen
Fragebögen ihre Symptome und Gedanken notierten. Wieder zu Hause
angekommen erhielten sie weitere Fragebögen. Auf ihnen sollten sie
innerhalb von 24 Stunden angeben, welche Symptome und Gedanken bei ihnen
in angsterregenden Situationen aufkommen. Es zeigte sich, dass körperliche
Symptome im Rückblick erstaunlich präzise erinnert wurden. Dagegen erwähnten
Patienten im Nachhinein weitaus mehr Gedanken, als sie im Life-Experiment
angegeben hatten. Während in der Angst-Situation nur 10 Prozent der
Teilnehmer die Vorstellung erwähnten, krank zu sein,
|
|
waren es im Nachhinein
65 Prozent. Ähnlich deutlich war die Diskrepanz auch bei den
Vorstellungen, das Bewusstsein zu verlieren (40 gegenüber 90 Prozent)
und bei der Vorstellung zu ersticken (10 gegenüber 60 Prozent). Die
Autoren räumen als Schwäche ihrer Studie ein, dass die rückblickenden
Fragebögen allgemein formuliert waren und sich nicht auf die spezielle
Situation des Life-Experiments beschränkten. Zudem war das im
Experiment (im Beisein eines Forschers) erlebte Angstniveau vermutlich
niedriger als unter Alltagsbedingungen.
M.
Marks u.a.: Retrospective versus prospective self-rating of anxiety
symptoms and cognitions. Journal of Anxiety Disorders 1999 (13) 463-472
|