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Umgang mit Kinderängsten (1)

Angst auch bei Kindern als zum Leben gehörig betrachten

Sie erweisen ihrem Kind keinen Gefallen, wenn sie ihm Angst um jeden Preis ersparen wollen (was kaum möglich ist!). Angst ist ein wichtiges Signal. Angstfrei aufgewachsene Kinder sind deshalb nicht unbedingt lebenstüchtiger. Kinder haben meist mehr davon, wenn sie erleben, dass Ängste zu verkraften sind und wie man mit ihnen umgehen kann. Die dazu notwendigen Erfahrungen fallen leichter, wenn sich Kinder in ihrer Familie geborgen und gehalten fühlen und so Vertrauen in die Welt entwickeln können. Angstfreie („unerschrockene“) Kinder haben im Leben oft besondere Probleme, da sie Gefahren meist schlechter einschätzen und Grenzen schlechter einhalten können.

Hinter auffälligem Verhalten die Angst erkennen

Schon Erwachsenen fällt es oft schwer, Ängste als solche zu erkennen. Viele lassen sich wegen Herzrasen, Schweißausbrüchen oder Muskelverspannungen behandeln, obwohl die eigentliche Ursache „Angst“ lautet. Ängste von Kindern zu identifizieren, ist keineswegs leichter. So können folgende Verhaltensweisen mehr oder weniger stark Angst ausdrücken: Ausweichen und Vermeiden von Situationen, Ablehnung, tyrannisches und forderndes Verhalten, Zwangshandlungen und Zwangsgedanken, Ein- und Durchschlafstörungen, Anklammern und Protest bei Trennungen, körperliche Beschwerden (wie Bauchschmerzen, Herzstiche, Atemnot), Bettnässen und Stottern.

„Reize“ dosieren

Angst und Erregung scheinen eng miteinander verbunden zu sein. Zuviel

(äußerliche oder innerliche) Erregung kann Angst auslösen. Während Säuglinge bis zur zehnten Lebenswoche über eine Art „passiven Reizschutz“ zu verfügen scheinen, müssen sie anschließend lernen, das für sie gesunde Maß an Reizen selbst zu beeinflussen („aktiver Reizschutz“). Die sogenannten Dreimonatskoliken drücken möglicherweise nichts anderes aus als die Schwierigkeit des Säuglings, mit Reizen aus seinem Körperinneren zurecht zu kommen. Überreizungen finden häufig auch abends statt, wenn berufstätige Eltern ihrem Kind noch einmal ihre ganze Liebe zeigen wollen. Sie brauchen sich dann nicht zu wundern, wenn das Kind nicht zu Bett gehen will und kaum einschlafen kann. Fördern Sie alle Bemühungen Ihres Kindes, Reizangebote auf ein gesundes Maß zu regulieren.

Eigene Ängste nicht weitergeben, sondern selbst bewältigen

Eltern sind immer ein Modell für ihre Kinder, an dem diese nicht nur Verhalten, sondern auch den Umgang mit Gefühlen erlernen. Bereits Säuglinge spüren zwar schon Gefühle. Wie sie mit Emotionen umgehen können bzw. wie diese einzuordnen sind, finden sie jedoch erst heraus, indem sie bei ihren Bezugspersonen überprüfen, wie diese auf die Situation reagieren. Gefühle werden so „geeicht“. Wenn sich Kinder unsicher fühlen und bei ihrer wichtigsten Bezugsperson rückversichern, werden sie bevorzugt deren vorherrschende Gefühle und die damit zusammenhängenden Verhaltensweisen übernehmen. Ängstlich vermeidende Mütter haben daher vermehrt auch ängstlich vermeidende Kinder. Deshalb nutzt es wenig, Kindern „Ängste“ nehmen zu wollen, wenn deren wichtigste Bezugspersonen diese weiter modellhaft vorleben. Es ist fast eine Binsenweisheit, dass Kinder die Gefühlslage ihrer Eltern widerspiegeln.

Überprüfen Sie daher immer, ob Sie nicht selbst unter Ängsten leiden, wenn Sie entsprechendes bei Ihrem Kind vermuten. Gönnen Sie sich gegebenenfalls selbst fachliche Hilfe.


Durch „Lust an Neuem“ der „Fremdenangst“ vorbeugen

„Fremdeln“ ist kulturabhängig und kommt in manchen Kulturen gar nicht vor. Dass „Fremdeln“ („Fremdenangst“) in Deutschland keine Seltenheit ist, hängt vermutlich auch damit zusammen, dass Kinder hier oft in engen Einzelbeziehungen aufwachsen. Vielen fehlt dann die Erfahrung, sich auf mehrere Personen einzulassen. „Neues“ kann bei Menschen gleichermaßen Angst und Lust auslösen. In welche Richtung jemand mehr tendiert, hängt oft vom Vorbild der Eltern ab. Wenn diese vor Neuem zurückscheuen (sei es ein überraschender Besuch, ein neuer Spazierweg, eine andere Seife), dann werden auch ihre Kinder eine solche Grundhaltung übernehmen. „Fremdenangst“ lässt sich daher auch als „gebremste Lust an Neuem“ interpretieren. „Fremdenangst“ können Sie vorbeugen, indem Sie Ihr Kind schon im Säuglingsalter mit ein bis drei anderen Personen bekannt machen und von diesen vertrauensvoll mitversorgen lassen. Bieten Sie Ihrem Kind immer Verbindungsglieder zwischen Fremdem und Vertrautem. Verhindern Sie, dass neue Eindrücke Ihr Kind überfluten. Führen Sie es lieber langsam, stetig und über längere Zeit an Fremdes heran. Lassen Sie dem Kind sein eigenes Tempo. Fragen Sie sich, wie Sie selbst mit Fremdem umgehen und wie eng und ausschließlich Sie Ihr Kind an sich binden.

Diese Empfehlungen stützen sich vor allem auf das Buch Kinderängste. Erkennen – verstehen – helfen. Von Reinmar du Bois. C. H. Beck 1996