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Angst und Depression als frühe Vorboten eines Morbus Parkinson?

    USA. Schon verschiedentlich wurde beobachtet, dass sich in den Vorgeschichten Parkinson-Kranker überproportional häufig Angstkrankheiten und Depressionen finden. Eine methodisch sehr überzeugende fallkontrollierte Studie von M. Shiba und Kollegen erhärtet nun den zu vermutenden Zusammenhang. In dieser Untersuchung wiesen die Anamnesen von 196 Parkinson-Patienten doppelt so häufig Angstkrankheiten und Depressionen auf als die Kontrollpersonen. Der Zusammenhang war für Depressionen etwas schwächer als für Angstkrankheiten. Auch bei sehr weit zurück liegenden Angstkrankheiten (bis zu 20 Jahre!) blieb der statistische Zusammenhang bestehen. Dagegen war er nicht mehr für Depressionen gegeben, die mehr als 5 Jahre vor Manifestation der Parkinson-Krankheit aufgetreten waren. Im Mittel lagen zwischen Angstkrankheit und Parkinson-Manifestation 23 Jahre, während der Abstand bei Depressionen nur 10 Jahre betrug. Soweit Parkinson-Patienten unter beiden seelischen Erkrankungen gelitten hatten (n = 29), ging in 72 Prozent der Fälle (n = 21) das Angstleiden der Depression voraus. Die dargestellten Zusammenhänge unterschieden sich zwischen Männern und Frauen nicht wesentlich. Bei Parkinson-Patientinnen war lediglich die Verknüpfung mit Angstkrankheiten etwas stärker ausgeprägt.

    Auf der Basis eines ausgezeichneten regionalen Dokumentationssystems (Olmstedt County, Minnesota) konnten die amerikanischen Autoren bei allen Personen, die zwischen 1976 und 1995 an einem Parkinson-Leiden erkrankt waren, auch die psychiatrische Vorgeschichte erfahren. Die Parkinson-Diagnose wurde durch einen Neurologen anhand der Dokumentation und – soweit die Patienten noch lebten – größtenteils auch körperlich überprüft. Allen Patienten wurde eine gleichaltrige Kontrollpersonen aus der gleichen Region nach dem Zufallsprinzip zugeordnet. Die Autoren betonen, dass ihr Ansatz unter mehreren Aspekten besticht: Er erfasst ziemlich lückenlos alle Neuerkrankungen und braucht sich nicht auf die (oft verfälschten) Erinnerungen der Untersuchungsteilnehmer zu stützen.

     Nach Ansicht von Shiba und Kollegen befinden sich ihre Studienergebnisse in Einklang mit gängigen Hypothesen. Danach ist es möglich, dass Angstkrankheiten und Depressionen nichtmotorische Frühmanifestationen des gleichen Prozesses sind, der später das Vollbild einer Parkinson-Erkrankung entfaltet. Das zweite Erklärungsmodell unterstellt, dass die psychiatrischen Leiden ihrerseits das Auftreten eines Morbus Parkinson fördern (etwa in Form von „Stress“, der neurodegenerative Veränderungen fördert). Eine dritte Erklärungsmöglichkeit geht von unterschiedlichen Entstehungsmechanismen bei Angstkrankheiten und Depressionen einerseits und dem Morbus Parkinson andererseits aus, wobei es (beispielsweise genetische) Gründe gibt, die ein gleichzeitiges Auftreten fördern.

     Die Befunde der amerikanischen Studie werfen nicht zuletzt die Frage auf, wie weit die Prodromalphase der Parkinson-Krankheit tatsächlich zurückreicht. Gängige Annahmen gehen von einem Zeitraum von 4 bis 7 Jahren aus. Da auch in der Kontrollgruppe Angstkrankheiten relativ früh auftraten, vermuten die Autoren, dass die Prodromalphase des Morbus Parkinson weniger ausgedehnt ist, als es der hier beschriebene Zusammenhang nahe legen könnte. In den Angaben von Patienten und Kontrollpersonen spiegelt sich wohl eher die Tatsache wider, dass Angstkrankheiten bevorzugt im jüngeren und Depressionen vermehrt im fortgeschrittenerem Alter auftreten.

M. Shiba u.a.: Anxiety disorders and depressive disorders preceding Parkinson´s disease. Movement Disorders 2000 (15) 669-677