Nutzen
noradrenerger Behandlungsstrategien
von
Horst Endreß, Pharmacia GmbH, Erlangen
Ob ein Patient auf ein
Antidepressivum anspricht, hängt wesentlich davon ab, inwieweit
noradrenerg vermittelte Mechanismen in Gang kommen. Auf diesen
Zusammenhang macht eine aktuelle Studie von H. L. Miller und Kollegen
(2001) aufmerksam, in der depressive Patienten entweder mit einem
Serotonin- oder einem Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer behandelt worden
waren. Responder zeichneten sich dadurch aus, dass sie vermehrt mit dem
Harn einen Noradrenalin-Marker ausschieden. Daraus folgern die Autoren,
dass es für Erfolg oder Fehlschlag antidepressiver Therapien entscheidend
sein könnte, besonders noradrenerg vermittelte Funktionen zu aktivieren.
Eine aktuelle PET-Studie bestätigt die Bedeutung noradrenerger
Dysfunktionen bei Depression (Fu u.a. 2001).
Auch für Angststörungen
zeichnet sich ab, dass eine Beteiligung des Noradrenalinsystems
bedeutungsvoller ist, als man noch bis vor kurzem dachte (Tanaka u.a.
2001). Tierexperimentelle Studien lassen sogar im Hinblick auf
psychotische Störungen vermuten, dass noradrenerg wirkende Arzneimittel nützlich
sein dürften (Harkin u.a. 2001). Die zuletzt genannten Untersuchungen
zeigten zugleich, dass sich selbst eine noradrenerge Überfunktion unter
einem Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wie Reboxetin bessert. Inwieweit
Patienten (insbesondere schizophren erkrankte) von einer solchen Strategie
profitieren, wird allerdings erst die Zukunft zeigen.
Offenbar „normalisiert“
Reboxetin noradrenerge Dysfunktionen. Dabei dürfte ein dämpfender Effekt
auf die Aktivität des Locus coeruleus (der größten Ansammlung
noradrenerger Neuronen im Gehirn) eine zentrale Rolle spielen. Denn diese
Wirkung scheint nicht nur für Reboxetin (Szabo u.a. 2001), sondern für
alle antidepressiven Maßnahmen von Bedeutung zu sein (Grant u. Weiss
2001).
Vieles spricht somit dafür, die
medikamentöse Behandlung der Depression mit selektiv noradrenerg
wirkenden Substanzen wie Reboxetin (Edronax®) zu beginnen. Dies gilt
besonders dann, wenn weniger Energie und Motivation haben. Der offenbar
noradrenerg wirkenden Antidepressiva vorbehaltene Vorteil beruht möglicherweise
darauf, dass Substanzen wie Reboxetin auch dopaminerge Mechanismen
aktivieren (L. Linnér u.a. 2001). Welche Rolle noradrenerge Mechanismen
bei der Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus haben, wie sie unter
Reboxetin bereits zu beobachten war (Malberg u.a. 2000), ist dagegen eine
noch offene Frage.
Diese nichtsedierende Substanz, die Energie und Motivation zurückführt,
hilft vielen Patienten ihre Alltagsaktivitäten wieder zu bewältigen. Die
zusätzliche Verbesserung kognitiver Funktionen empfiehlt sich für einen
breiten Einsatz bei Patienten mit Aufmerksamkeits- und
Konzentrationsbeschwerden, die im Rahmen depressiver Erkrankungen ein häufiges
Begleitsymptom sind.
Patienten mit neurologischen Grunderkrankungen (wie z.B. Epilepsie,
Schizophrenie, Morbus Parkinson) können ebenfalls sehr von der selektiv
noradrenergen Strategie profitieren. Erste Ergebnisse sind hier sehr
ermutigend (Kühn u.a., Lemke u.a.., Wiedemann u.a., alle 2000).
Der Einsatz bei älteren Patienten erscheint sehr sinnvoll, da
Reboxetin keine klinisch relevante Cytochrom P450-Inhibition verursacht
und damit gut kombinierbar ist. Es bindet nicht an cholinerge Rezeptoren
und verursacht daher keine anticholinergen Effekte. Es ist kardial gut
verträglich und bei geriatrischen Patienten gut wirksam (Aguglia u.a.
2000).
Bei Nichtansprechen (Nonrespons), nicht ausreichendem Ansprechen
(partieller Response) und/oder Unverträglichkeiten (wie z.B. Übelkeit,
sexuelle Funktionsstörungen, Gewichtszunahme) auf serotonerge Strategien
eröffnet die selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung von Reboxetin
eine nützliche Behandlungsoption. Von ihr können viele Patienten durch
Umstellung oder kombinierten Einsatz (z.B. mit SSRI) profitieren.
Die
zitierten Publikationen können auf Wunsch bei der Pharmacia GmbH bezogen
werden
|