von Barbara Schacke, MA,
Politologin u. Ethnologin, Tübingen
USA. 537 Wahlberechtigte in Florida
entschieden im Jahr 2002 darüber, wer amerikanischer Präsident wird. Da
2,8 Millionen Einwohner dieses Staates mindestens 65 Jahre alt sind,
dürfte es dort bis zu 300.000 Demenz-Kranke geben. Viele von ihnen haben
mit großer Wahrscheinlichkeit gewählt und so dem derzeitigen Präsidenten
möglicherweise in sein Amt verholfen.
Diese Vermutung stützen V. W.
Henderson und D. A. Drachman auf eine telefonische Befragung, die J. H. T.
Karlawish und Kollegen bei 75 Betreuern Demenz-Kranker durchgeführt
hatten. Die Studie fand unmittelbar nach der Präsidentenwahl statt und
erfasste Bürger des US-Staates Pennsylvania. Danach machten 64 Prozent der
auf diesem Weg erfassten Demenz-Kranken von ihrem Wahlrecht Gebrauch,
wobei 92 Prozent ihre Stimme persönlich an der Wahlurne abgaben. 17
Prozent wurden von ihren Betreuern unterstützt; in einem Fall übte der
Betreuer stellvertretend das Stimmrecht aus. Die Wahlbeteiligung der
Demenz-Betroffenen (69 Prozent) war letztlich höher als die nationale
Wahlbeteiligung.
Karlawish und Mitarbeiter weisen
darauf hin, dass die hier beschriebenen Personen überwiegend unter einer
leichten bis mittelschweren Demenz litten, wobei das Spektrum bis zu
extrem schweren Zuständen reichte (Mini Mental Score 4). Die Autoren
betonen, dass es nicht ihr Anliegen ist, Demenz-Kranke von Wahlen
auszuschließen. Ihre Studie will lediglich den Ist-Zustand beschreiben. Zu
entscheiden, inwieweit die Ausübung des Wahlrechts mit anderen (teilweise
einschränkbaren) Rechten vergleichbar ist (Beispiel: Autofahren), bleibt
weiteren Untersuchungen und öffentlichen Diskussion vorbehalten. Henderson
und Drachman meinen dazu: „Autofahren und Wählen unterscheiden sich
wesentlich; während ein Blutalkoholspiegel von 0,08 Prozent rechtlich das
Führen eines Fahrzeugs verbietet, schließt er die Ausübung des Wahlrechts
nicht aus.“
J. H. T.
Karlawish u.a.: Do persons with dementia vote? Neurology 2002 (58)
1100-1102; V. W. Henderson u.a.: Dementia, butterfly ballots, and voter
competence. Neurology 2002 (58) 995-996 |