USA. Wie M. Floyd in einem Beitrag über „Bibliotherapie“ betont, hat
sich die Lektüre von Selbsthilfebüchern sogar als Monotherapie bei
Depression bewährt. Eigene Erfahrungen des Autors bei älteren
depressiven Menschen, veranschaulichen, dass Lesetherapie eine
kognitive Verhaltenstherapie sinnvoll ergänzen kann. Vor allem in
Zeiten knapper finanzieller Ressourcen erleichtert sie Einsparungen,
indem sie dem Patienten wichtige Informationen außerhalb des
Arzt-Patienten-Kontakts vermittelt. Die Wissensquelle steht dem
Kranken dauerhaft zur Verfügung. Er kann sie also wiederholt bzw. so
lange nutzen, bis ihm die Inhalte vertraut sind. Aufgrund des
Begleitangebotes kann sich die therapeutische Arbeit mehr auf das
zwischenmenschliche Geschehen konzentrieren. Außerdem lassen sich in
den Selbsthilfebroschüren solche Themen vertiefen, die zwar wichtig
sind, aber in der Zusammenarbeit mit dem Therapeuten zu wenig Platz
finden. Nicht zuletzt vermitteln Selbsthilfemedien dem Leser das
Gefühl, für den Behandlungserfolg mitverantwortlich zu sein. Zugleich
ermöglichen sie die heilsame Erfahrung, selbst etwas bewirken zu
können.
Floyd warnt jedoch auch vor möglichen „Nebenwirkungen“ einer
Bibliotherapie. So darf ihr Einsatz beim Patienten nicht den Eindruck
erwecken, dass der Therapeut an ihm selbst desinteressiert ist oder
dass der Therapeut meint, dass es sich um ein so einfaches Problem
handelt, für das bereits die Lektüre eines Büchleins genügt.
Schließlich sollte man auch die Möglichkeit bedenken, dass sich
Patienten, die in der Schule wenig erfolgreich waren, unangenehm an
„Hausaufgaben“ erinnert fühlen. Sie laufen Gefahr, die Therapie mit
Prüfungssituationen zu verwechseln und sich letztlich gegen das
gesamte Vorgehen zu wehren. Eine Kontraindikation für Lesetherapie
sieht der Autor immer dann, wenn ein Patient kognitiv beeinträchtigt
ist, sich selbst nicht motivieren kann und in der Vergangenheit
schlecht auf Psychotherapie angesprochen hat.
M. Floyd: Bibliotherapy as an adjunct to psychotherapy
for depression in older adults.
Inc. J.
Clin. Psychol/In Session 2003 (59) 187-195