ADHS und Epilepsie
Island. Kinder und Jugendliche, die
erstmalig einen epileptischen Anfall erleiden, haben zuvor 2,5mal häufiger
an einer Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung gelitten als
gleichaltrige von Epilepsien bislang verschonte Menschen. Möglicherweise
beeinflussen sich beide Erkrankungen gegenseitig bzw. liegt ihnen eine
gemeinsame Ursache zugrunde. Zu den potenziellen Ursachen könnte ein
Mangel an Noradrenalin im ZNS gehören. Diese Schlüsse ziehen D. C.
Hesdorffer und Kollegen aus einer fallkontrollierten Studie, in die Daten
von 109 neu an Epilepsie erkrankten Kindern und Jugendlichen und von 218
Kontrollpersonen eingeflossen waren. Vor allem die
Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung vom überwiegend aufmerksamen
Typ zeichnete für den deutlichen Unterschied verantwortlich (Odds Ratio:
3,7).
D. C. Hesdorffer u.
a.: ADHS as a risk factor for incident unprovoked seizures and epilepsy in
children. Arch. Gen. Psychiatry 2004 (61)
731-736
Epilepsie erhöht Unfallrisiko
Italien. Epilepsie-Patienten erleiden
im Verlauf von ein bis zwei Jahren signifikant häufiger Unfälle (p <
0,0001) als vergleichbare Personen der Normalbevölkerung (21 gegenüber 14
Prozent). Rund ein Viertel aller Unfälle (24 Prozent) von
Epilepsie-Kranken ist anfallsbedingt. Epilepsie-Patienten sind vermehrt
von Gehirnerschütterungen (Relatives Risiko = RR = 2,6), Hautabschürfungen
(RR = 2,1) und Wunden (RR = 1,9) betroffen. Ähnlich wie in der
Normalbevölkerung ereignen sich auch bei Epilepsie-Kranken die meisten
Unfälle im häuslichen Bereich (gefolgt von Unfällen auf der Straße und am
Arbeitsplatz). Anfallspatienten werden vergleichsweise häufiger stationär
behandelt, erleiden mehr Komplikationen und erhalten mehr medizinische
Behandlungen. Diese Daten ermitteln M. van den Broek und Kollegen in einer
prospektiven Studie in acht europäischen Ländern. An ihr beteiligten sich
199 Epilepsie-Patienten und 123 Kontrollpersonen. Wie die Autoren
aufzeigen, sind Epilepsie-Kranke nicht generell vermehrt unfallgefährdet.
Denn die Unfallrisiken zwischen Patienten und Normalpersonen unterscheiden
sich nur noch wenig, wenn man alle anfallsbedingten Unfälle ausschließt.
M. van den Broek
u. a.: Accidents with epilepsy: Types, circumstances, and complications: a
European cohort study. Epilepsia 2004 (45) 667-672
Wirkt REM-Schlaf antikonvulsiv?
Indien. Nach Ansicht von H. Jaseja
gibt es eine enge Verbindung zwischen Schlafphasen und Anfallsneigung. So
ist die Empfänglichkeit für epileptische Anfälle und epileptische
EEG-Aktivitäten während Non-REM-Phasen (insbesondere in den Schlafstadien
I und II) deutlich erhöht. Gleichzeitig kommt es zu einer vermehrten
EEG-Synchronisation. Das Gegenteil ist während einer REM-Phase zu
beobachten: Dann sind Anfälle extrem selten und zeichnet sich das EEG
durch eine verringerte Synchronisation aus. Zu dem Gesamtbild passt, dass
Substanzen die den Non-REM-Schlaf unterdrücken antikonvulsiv wirken,
während REM-Schlaf verringernde Stoffe Anfälle fördern und daher bei
Epilepsie-Patienten kontraindiziert sind. Vor diesem Hintergrund stellt
Jaseja die Hypothese auf, dass der REM-Schlaf ein natürliches
antiepileptisches System des Organismus ist, das dessen Neigung zu
Anfällen kompensiert. So erkläre sich u. a., warum REM-Phasen immer auf
Non-REM-Phasen folgen – allerdings nur dann, wenn die Non-REM-Phase
ausreichend lang war.
H. Jaseja:
Purpose of REM sleep: endogenous anti-epileptogenesis in man – a
hypothesis. Medical Hypotheses 2004 (62) 546-548
Fördern Antiepilepika Osteoporose bei älteren Frauen?
USA. Unter herkömmlichen
Antikonvulsiva (Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin, Primidon) scheinen
ältere Frauen vermehrt Knochensubstanz zu verlieren. Auf diese Gefahr
macht eine prospektive Studie von K. E. Ensrud und Mitarbeitern
aufmerksam, an der sich 9.704 ältere Frauen beteiligt hatten. Sie ließen
sich u. a. im Abstand von durchschnittlich 4,4 Jahren die Dichte des
Hüftknochens messen. Rund 40 Teilnehmerinnen hatten kontinuierlich
Antiepileptika eingenommen. Es zeigte sich, dass die Knochendichte unter
Antikonvulsiva stärker abnahm (-1,16 Prozent pro Jahr) als in der
Vergleichsgruppe (-0,7 Prozent pro Jahr). Der stärkste Knochenverlust fand
sich bei Phenytoin-Anwenderinnen (1,7-fach erhöhter Wert). Ähnlich war die
Situation bei der am Fersenbein bestimmten Knochendichte. Die Autoren
weisen darauf hin, dass der von ihnen beschriebene Knochenverlust
ausreicht, um bei älteren Frauen das Risiko einer Hüftfraktur innerhalb
von fünf Jahren um 29 Prozent zu steigern. Sie betonen, dass ihre
Feststellungen keine Rückschlüsse auf neuere Antikonvulsiva gestatten, da
diese in der Regel keine Leberenzyme induzieren.
K. E. Ensrud u.
a.: Antiepileptic drug use increases rates of bone loss in older women. A
prospective study. Neurology 2004 (62) 2051-2057
Vermehrte Menstruationsstörungen bei Epilepsie
Norwegen.
Frauen mit Epilepsie leiden häufiger unter Menstruationsstörungen (48
Prozent) als ihre gleichaltrigen Freundinnen (30,7 Prozent). Vermehrte
Probleme mit ihrer Regelblutung haben insbesondere Frauen, die unter
häufigen Anfällen leiden (jährlich > 5) und/oder mehrere Antiepileptika
einnehmen. Unter Carbamazepin sind Menstruationsstörungen häufiger als
unter Valproat (p = 0,045). Patientinnen mit Epilepsie haben weniger
Kinder (0,85) als ihre Freundinnen (1,11, p < 0,05). Diese Feststellungen
stützen S. Svalheim und Mitarbeiter auf eine Befragung von 265
Epilepsie-Patientinnen im Alter von 18 bis 45 Jahren und 142 als Kontrolle
dienenden Frauen. Nach Ansicht der Autoren tragen die Grunderkrankung und
die spezifische Medikation in komplexer Weise dazu bei, dass Frauen mit
Epilepsie häufiger auch unter Menstruationsstörungen leiden.
S. Svalheim u. a.: Do women with epilepsy have increased
frequency of menstrual disturbances? Seizure 2003 (12) 529-533
Epilepsie und transkranielle
Magnetstimulation
Deutschland.
Erste Zwischenergebnisse einer plazebokontrollierten multizentrischen
Cross-over-Studie an bisher 17 Patienten unterstützen die These, dass eine
niedrigfrequente transkranielle Magnetstimulation (0,333 Hz) die
Häufigkeit epileptischer Anfälle reduziert. Wie F. Tergau und Kollegen
berichten, nahm die Anfallshäufigkeit im Anschluss an die fünftägige
Behandlung durchschnittlich um 30 bis 40 Prozent ab. Dieses Ergebnis war
im Vergleich zum Ausgangswert signifikant (p = 0,0012), nicht aber im
Vergleich zu Plazebo (p = 0,062). Plazebo-Stimulationen und höherfrequente
Stimulationen (1,0 Hz) zeigten keine vergleichbaren Effekte.
F. Tergau u. a.:
Can epilepsies be improved by repetitive transcranial magnetic
stimulation? – interim analysis of a controlled study. Supplements to
Clinical Neurophysiology 2003 (56) 400-405 |