Schweden/Schottland. Selektive
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) werden immer häufiger verordnet.
Dies ließ teilweise befürchten, dass Suizidversuche mit SSRI
überproportional ansteigen könnten. Zwei aktuelle Studien entwarnen
komplett. Während SSRI in einer der beiden Untersuchungen im Vergleich zur
Verordnungshäufigkeit viel seltener an Suizidversuchen beteiligt waren,
traf dieser Zusammenhang in der zweiten Studie zumindest auf Sertralin (Zoloft®)
zu. Unter Sertralin war die Suizidrate um den Faktor: 0,79 verringert.
Die von J. Bäckman und Kollegen im
schwedischen Lund durchgeführte Studie überprüfte u. a., inwieweit sich
der Anteil der Selbstvergiftungen mit Antidepressiva an allen erfassten
Selbstschädigungsversuchen im Lauf der Zeit veränderte. Zwar sank der
Anteil von einem Beobachtungszeitraum (1987 bis 1990) zum anderen (1995
bis 1997) von 20 auf 17 Prozent, dieser Unterschied war aber nicht
signifikant. Eine deutliche Abnahme fand sich jedoch bei affektiv
erkrankten Frauen. Während in dieser Gruppe anfänglich noch 43 Prozent
zwecks Selbstschädigung eine Überdosis Antidepressiva eingenommen hatten,
waren es rund 10 Jahre später nur noch 22 Prozent (p = 0,01). Obwohl sich
der Anteil der SSRI an den verkauften Antidepressiva zugleich von 30 auf
78 Prozent erhöht hatte, wurden SSRI deutlich seltener in
Intoxikationsabsicht eingenommen, als es den Verkaufszahlen entsprochen
hätte. Die Autoren vermuten, dass die vermehrte Verordnung von
Antidepressiva zu einer besseren Behandlung affektiver Störungen geführt
hat, was die vermehrte Verfügbarkeit von SSRI für
Selbstschädigungsvorhaben kompensierte. Die vergleichsweise niedrige
Häufigkeit von Selbstvergiftungen mit SSRI erklären sie damit, dass sich
Anwender von SSRI klinisch von Anwendern klassischer Antidepressiva
unterscheiden.
Aufgrund einer Untersuchung
schottischer Verhältnisse entwarnen auch D. N. Bateman und Kollegen. Bei
den von ihnen erfassten 1.656 Vergiftungen mit Antidepressiva waren SSRI
im Vergleich zu ihrer Verordnungshäufigkeit weder unter- noch
überrepräsentiert. Eine Ausnahme bildete Sertralin, für das sich eine
deutlich niedrigere Intoxikationswahrscheinlichkeit errechnete (Faktor:
0,79).
D. N. Bateman u.
a.: Are selective serotonin reuptake inhibitors associated with an
increased risk of self-harm by antidepressant overdose?
Eur. Clin.
Pharmacol. 2004 (60) 221-224; J. Bäckman
u. a.: Use of antidepressants in deliberate self-poisoning. Psychiatric
diagnoses and drugs used between 1987 and 1997 in Lund, Sweden.
Soc. Psychiatr. Epidemiol. 2003 (38)
684-689 |