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Migräne als Selbstheilungsversuch

Japan. Nach Ansicht von H. Sugahara ist es keineswegs zwingend, Migräne als “Krankheit” aufzufassen. Solche Betrachtungsweisen sind konstruiert, also künstlich, und hängen von historischen und sozialen Rahmenbedingungen ab. Der Autor schlägt statt dessen vor, Migräne als natürlichen Prozess zu interpretieren, mit dessen Hilfe der Organismus eine gestörte Homöostase wieder herzustellen versucht. In dieser Hinsicht würde sie dann anderen „Abwehrreaktionen“ des Körpers ähneln, wie beispielsweise Fieber, Übelkeit, akutem Schmerz und Angst. Konkret ziele der mit Migräne verbundene Selbstheilungsversuch darauf ab, eine zerebrale Minderdurchblutung durch ein vorübergehendes vermehrtes Blutangebot zu kompensieren. Für seine Hypothese führt Sugahara Untersuchungen an, denen zufolge es bei einer Migräne mit Aura zuerst zu einer Mangelperfusion hinterer Gehirnbereiche kommt. Diese dehnt sich dann zunehmend auf andere Bezirke aus, wobei sich der gesamte Vorgang nicht an den typischen vaskulären Versorgungsgebieten orientiert. Die Mangeldurchblutung hält bis in die Kopfschmerzphase an, um dann in eine Hyperperfusion umzuschlagen.

    Interessanterweise finden sich ähnliche Abläufe auch bei Epilepsien und aggressiven Verhaltensweisen. Sugahara vermutet daher, dass es im Körper einen universalen Mechanismus gibt, der auf Mangeldurchblutungen des Gehirns reagiert, indem er kompensatorisch eine entsprechende Mehrdurchblutung in Gang setzt. Symptomatisch kann sich dies als Migräne, Epilepsie oder aggressives Verhalten äußern. Der Schutzmechanismus ist offenbar sehr sensibel, da er auch schon auf leichtere Durchblutungsstörungen anspricht. Dies macht Sinn, da das Gehirn zwar nur zwei Prozent der Körpermasse ausmacht, aber 24 Prozent des gesamten Sauerstoffangebotes verbraucht, also auf optimale Versorgungsbedingungen angewiesen ist.

    Zur Überprüfung seiner Hypothese regt der Autor randomisierte und plazebokontrollierte Studien mit Arzneimitteln an, die den drei genannten Erkrankungen vorbeugen. Sollten sich diese als präventiv wirksam erweisen und gleichzeitig die Hirndurchblutung verbessern, würde dies für den vermuteten Zusammenhang sprechen. Erste Hinweise in diese Richtung liefern einige Calciumantagonisten: Sie steigern nicht nur die Hirndurchblutung, sondern werden auch schon als Mittel zur Migräneprophylaxe beworben.

H. Sugahara: Brain blood perfusion hypothesis for migraine, anger, and epileptic attacks. Medical Hypothesis 2004 (62) 766-769